Was ist Bibliodrama oder jenseits von Liturgie und Dogmatik
„Bibliodrama ist das inszenierte Abenteuer der Begegnung zwischen einer oder mehreren Personen mit einem biblischen Text.“ Es ist ein „Spiel um Gott“, wobei das mit dem Spielen als ein durchaus ernsthaft gemeinte Erkenntnisprozess beginnt.
Bibliodrama nutzt die Freude an Spiel und Kreativität für die Bibelarbeit – der Körper wird mit allen Sinnen in Glauben und Bibelverstehen einbezogen“, das sagt Dr. Wolfgang Wesenberg, Vorsitzender der Gesellschaft für Bibliodrama. Und tatsächlich wächst offenbar bei vielen Menschen der Wunsch, die Bibel nicht nur zu lesen, sondern die Texte auch anders erfahrbar zu machen.
„Wir haben mal ein Rollenspiel zu der Geschichte von Jesu Einzug nach Jerusalem gemacht, und plötzlich waren wir sozusagen mittendrin in der Stimmung der Geschichte“, erzählt Karin Busacker aus Hagenow über ihre persönlichen Bibliodrama-Erfahrungen.
Ähnlich dem Bibliodrama, bei dem die Teilnehmer ihre Rollen in den Bibeltexten selbst wählen, ist der Bibliolog. Diese Methode wurde in Nordamerika von dem jüdischen Psychodramatiker und Literaturwissenschaftler Peter Pitzele und seiner Frau Susan entwickelt, die damit den Bibliolog in die Tradition der jüdischen Bibelauslegung, dem Midrasch, stellen: Während der biblische Text an sich unangetastet bleibt, kann der Raum zwischen dem Erzählten in den biblischen Geschichten mit eigenen Gedanken gefüllt werden. Der Bibliolog wird auch als „das kleinere Bibliodrama“ bezeichnet, denn hier choreografiert der Leiter die Besetzung und teilweise Ausgestaltung der Rollen. Aus diesem Grund wird ein Bibliolog auch gerne im Gottesdienst eingesetzt um einen Text zu verbildlichen.
Im Bibliodrama sind die Annährungsprozesse an einen Text im Allgemeinen länger konzipiert. „Wir versuchen, über die eigene Gestaltung und das Gespräch darüber in religiösen Fragen jenseits von Literatur und Dogmatik gesprächsfähig zu werden“; sagt Dr. Wesenberg. Und das erfordert, dass man in die Geschichte eintaucht und in der Rolle die Charaktere mit Emotionen und Leben füllt. „In meinem ersten Bibliodrama stand ich als Jesus auf den Tempelzinnen und wusste nicht, warum ich nicht herunter springen sollte – ein Gedankenspiel, dass mir die Person Jesu anders nahe gebracht hat“, so Wesenberg. Erfahrungen wie diese sind es wohl, die Teilnehmer von Bibliodrama-Veranstaltungen so gefallen. „Die Leute in Jerusalem und ihr Erleben der Ankunft Jesu waren mir dann irgendwie nah, und ich konnte selbst anders darüber nachdenken, was mir die Ankunft Jesu bedeutet“, erklärt Karin Busacker.
Inzwischen ist das Bibliodrama eine weltweit anerkannte Methode der Bibelarbeit. Aus diesem Grund findet einmal im Jahr ein internationaler Kongress statt, bei dem das spannende ist, „die gemeinsamen Erfahrungen im Bibliodrama zu machen obwohl die Teilnehmer keine gemeinsame Muttersprache und alle ein unterschiedliches Englisch sprechen“, so Dr. Wolfgang Wesenberg.
Im Jahr 2012 trafen sich Interessierte aus aller Welt zum Europäischen Bibliodrama Kongress vom 23. bis 26. August in Hannover. Das Motto: „Das Leben als Spiel – Spiel des Lebens“.
(aus einem Zeitungsartikel – zur Verfügung gestellt von Silke Roß)